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Kintsugi – Reparaturmethode

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Die traditionelle Reparaturmethode (Kintsugi), bei der zerbrochenes Porzellan oder Keramik mit Naturlacken und Goldpulver gekittet wird, existiert schon seit über 500 Jahren. Sie geht auf den Shogun Ashikaga Yoshimasa zurück, dessen heißgeliebte, chinesische Teeschale durch ein Missgeschick zerbrach. Er schickte diese zurück nach China zur Reparatur. Doch als sie zurückkam, war er alles andere als zufrieden, denn die chinesischen Handwerksmeister hatten die Schale lediglich mit goldenen Klammern wieder zusammen gefügt. Der Shogun beauftragte daraufhin japanische Kunsthandwerker, eine Methode zu finden, die schöner anzusehen sei. Das Ergebnis war Die Erfindung von Kintsugi!

Heute ist Kintsugi nicht mehr nur ausschließlich für Aristokraten vorgesehen, sondern erfreut sich auch in der Bevölkerung Japans großer Beliebtheit. Stellen Sie sich nun einmal folgende Situationen vor:

Der Klassiker

Herr und Frau Yamada sitzen am Frühstückstisch. Herr Yamada liest die Morgenzeitung und trinkt seinen Kaffee, während der 7-jährige Sohn Jun von der Mutter belehrt wird. Er soll die Stäbchen korrekt halten und das Gemüse aufessen. Die 3-jährige Tochter Yoko möchte ebenfalls die Aufmerksamkeit seiner Eltern erlangen und wirft in einem Trotzanfall die schöne Teetasse der Mutter zu Boden. Die Tasse zerbricht, der Vater schimpft und Yoko heult. Die Mutter sammelt ruhig und sorgfältig alle Scherben zusammen.

Der Streit

Es ist spät am Abend und die junge Frau Sato ist gerade dabei die Schmutzwäsche in die Waschmaschine zu stecken, als sie roten Lippenstift am Hemdkragen ihres Mannes entdeckt. Sie ist traurig und wütend, weil ihr Mann wahrscheinlich eine Affäre hat, denn sie selbst trägt nie Lippenstift. Sie stellt ihren Mann zur Rede und es fliegt nicht nur die Fetzen, sondern auch Teller in Richtung des Mannes. Er schläft diese Nacht auf dem Boden. Am nächsten morgen sammelt Herr Sato die Scherben ein und entschuldigt sich bei seiner Frau für sein Tun. Er verspricht sie nie wieder zu enttäuschen und sie verzeiht ihm.

Das Missgeschick

Der alte Herr Oda steht in der Küche am Spülbecken und spült nun seit 10 Minuten den gleichen Teller. Er starrt Gedankenverloren aus dem Fenster und denkt daran, wie er damals vor fast 45 Jahren seine Frau kennen gelernt hat. Sie war so schön t ihren langen, seidig-schwarzen Haaren, die sie immer sorgfältig in einen Knoten gebunden hatte. Die Haut war glatt und rosig wie ein Pfirsich. Davon war jetzt nicht mehr viel zu sehen, aber für Herrn Oda war sie immer noch die schönste Frau der Welt. Plötzlich riss ihn das schrille Klingeln des Telefons aus seinen Gedanken und der Teller rutschte ihm aus den seifigen Fingern. Er hatte auf den Anruf auf dem Krankenhaus gewartet. Der Mann eilte zum Telefon um die Nachricht des Arztes zu hören und Gott sei Dank, die OP seiner Frau war gut verlaufen. Er sammelte hastig die Scherben auf und machte sich auf den Weg zu seiner Frau.

Es gibt so viele Möglichkeiten, wie Porzellan zu Bruch kommen kann. Doch anders als hier in Europa wird es in Japan nicht weggeworfen oder geklebt, so dass man die Bruchstellen möglichst nicht mehr sieht, sondern kann mit Kintsugi repariert werden. Ähnlich wie das Porzellan werden auch die Beziehungen wieder gekittet. Durch die Schwierigkeiten, die man gemeinsam übersteht, wird die Beziehung immer stärker und schöner. Kintsugi ist die handwerkliche Ausprägung dieses Gedankens, dass jedes Bruchstück seine Geschichte hat und die Narben oder Bruchkanten Symbole für das Leben als solches sind. Dieses Konzept heißt im Japanischen Wabi Sabi und bedeutet, die Schönheit in der Unvollkommenheit der Dinge zu sehen.

Published: 04.11.2018 | Posted by Miriam

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